In Zeiten wie diesen kann Satire durchaus willkommen sein. Die Sieben Todsünden, ein Ballett von Kurt Weill mit einem Libretto von Bertholt Brecht, ist genau das: Eine Satire auf gewissenlose (Selbst-)Vermarktung, die in den USA spielt. Sir Simon Rattle hat sie mit dem London Symphony Orchestra eingespielt und jetzt veröffentlicht – mit Blick auf den fast zeitgleichen Amtsantritt von Donald Trump als US-Präsident könnte man es fast als Kommentar werten.
Weill schrieb die Musik zu den Sieben Todsünden 1933 im Pariser Exil, wo auch die Uraufführung im Théâtre des Champs-Élysées statt fand. In den Hauptrollen waren Sopranistin Lotte Lenya, Tenor Otto Pasetti und Tänzerin Tilly Losch zu sehen, die Ballett-Choreografie stammte von George Belanchine.
Erzählt wird die Geschichte einer Familie, deren Tochter Anna durch sieben Städte tourt, um das Geld für ein eigenes Haus zu verdienen. Jeder der Todsünden – Faulheit, Stolz, Zorn, Völlerei, Unzucht, Habsucht und Neid – wird in einer ironisierenden Form als Lebens- und zugleich Leideform des Mädchens dargestellt. Die Figur Anne wird hierfür quasi halbiert und verkörpert als Anna I die mit zunehmenden Gewissenskonflikten beladene Verkäuferin, während Anna II die immer skrupellosere „Ware“ für die finanziell auszunehmende Männerwelt darstellt.
Rattle und das LSO verleihen der Komposition viel Schwung, was den satirischen Spaßfaktor merklich unterstreicht. Der Gesang – fast akzentfrei auf Deutsch vorgetragen – verstärkt die Form mit seinem mal schwergewichtigen, mal zackigen Vortrag zusätzlich. Das ist auch gut so, denn so versprüht die Einspielung den kantig-harten Charme, der das Gespann Weill-Brecht zur Marke gemacht hat.
Allerdings belassen es die Briten nicht bei den Todsünden, sondern bieten mit dem Album noch mehr. Da wäre zum einen die Instrumentalversion der Dreigroschenoper zu nennen, die ohne Text etwas dürr wirkt, in der Intensität aber kaum gegen das Komplettpaket verliert.
Ebenfalls zu finden sind zwei der Four Walt Withman Songs, nämlich deren No. 1, Beat! Beat! Drums! und die No. 4, Dirge for Two Veterans sowie außerdem Street Scene, Act 1: Lonely House, die Weill 1947 nach Motiven con Elmer Rice und Langston Hughes komponierte. Auffällig ist, dass die US-amerikanischen Stücke deutlich gefälliger und Hollywood-tauglicher sind, als die Brecht-Kompositionen, die noch harschen Expressionismus atmen. Das lässt gut erkennen, wie leicht Weill den jeweiligen Publikumsgeschmack zu adressieren vermochte.
The Seven Deadly Sins sind körperreich eingespielt. Das LSO füllt die Frequenzbänder opulent und steht kompakt. Trotzdem erhält sich die Transparenz innerhalb der Instrumente und auch zwischen Orchester und Gesang. Das schafft ein intensives Klangerlebnis und verschafft dem Zuhörer 76 Minuten Genuss. (Thomas Semmler, HighResMac)
Magdalena Kožená, Mezzosopran
Andrew Staples, Tenor
Alessandro Fisher, Tenor
Ross Ramgobin, Bariton
Florian Boesch, Bassbariton
London Symphony Orchestra
Sir Simon Rattle, Dirigent