Biographie Intuit


Intuit
Die Entwicklungen in der elektronischen Tanzmusik der letzten Jahre, die unter Namen wie NuJazz, Broken Beats und Phusion firmieren, haben eine Renaissance verschiedener jazziger 70er-Jahre-Musiken bewirkt. Besonders der Soul Jazz dieser Zeit, die brasilianische Pop und Jazz und der Afrobeat sind in den Fokus der jungen Produzenten gerückt. Über komplex programmierten Beats wird der Sound dieser Zeit mit einer erstaunlichen Akribie rekonstruiert. Vor allem britische und deutsche Produzenten haben sich dieser Traditionspflege auf den Tanzflächen verschrieben. Acts wie 4Hero und Jazzanova graben tief in den Rare Groove-Plattenkisten und scheuen keine Mühe mit Hilfe von zahlreichen Gastmusikern die von ihnen favorisierten Sounds in die Jetztzeit zu transportieren. Das Münchener Compost-Label ist bei dieser Entwicklung seit Jahren ganz vorne mit dabei.

Insofern ist es nicht erstaunlich, dass es sich bei der neuesten Veröffentlichung des Labels um eine CD handelt, die den funky Jazz-Sound der 70er in seiner puren Form einfängt. Also keine Samples, keine programmierten Beats, sondern ausschließlich auf herkömmlichen Instrumenten eingespielte Musik. Intuit ist ein Duo aus Freiburg, dass bereits auf eine Reihe Veröffentlichungen auf Compost unter dem Namen Supersempft zurückblickt. Um international verständlich zu werden - und weil es bereits eine Band mit dem Namen Supersempft gegeben hat - entschossen sich Thomas Braun und Till Maragnoli für den neuen Namen. Getroffen haben sich die beiden Anfang der 90er in einer Reggae-Band. Schnell entdeckten sie ihre gemeinsame Vorliebe für die schwarzen Rare Grooves der 70er und beschlossen diesem Sound ihren Tribut zu zollen. Till Maragnoli ist Bassist und Autodidakt, während Thomas Braun, der für Drums und Percussion zuständig ist, eine klassische Ausbildung an der Musikakademie Basel durchlaufen hat. Die beiden sind Perfektionisten. Bevor sie einen Track zur Veröffentlichung freigeben, stellen sie sicher, dass jeder Ton sitzt. Auf ihrem Debut-Album ist von der, selbst eingespielten, rhythmischen Basis bis zu den Bläsersätzen alles genauestens notiert. Einige dieser Basic-Tracks verschickten sie an ihre musikalischen Vorbilder mit der Bitte um Zusammenarbeit. Und waren erstaunt, dass ausnahmslos alle zusagten.

So finden sich auf dem Album so unterschiedliche Legenden wieder wie Doug Carn, Andy Bey und das Traumpaar des brasilianischen Fusion-Jazz Airto Moreira und Flora Purim wieder. "Von Flora Purims Management hörten wir zunächst, dass der Plattenvertrag ihr nur vier Fremdproduktionen im Jahr gestattet.", erzählen Till und Thomas. "Wir hatten entsprechend nicht mehr mit ihr gerechnet. Es gibt sicher lukrativere oder prominentere Anfragen als ein unbekanntes Duo aus Deutschland. Ihr hat unser Sound dann allerdings so sehr gefallen, dass sie interessiert war mit uns zusammenzuarbeiten." Und so eröffnen der wundervolle Gesang Flora Purims und die nuancenreichen Percussion-Pattern Airtos das Intuit-Album mit einem unwiderstehlichen Brazil-Beat, den Thomas und Till mit Afrobeat-Funkyness versetzen.

Diese subtilen Mischungen sind charakteristisch für Intuit. Ihre anderen prominenten Gäste werden gleich ganz gegen den Strich besetzt. Doug Carn, der in den 70ern, zusammen mit seiner Frau Jean Carn, einige legendäre Soul Jazz-Alben auf Black Jazz Records veröffentlichte, wird mit seiner Hammond B3-Orgel nicht etwa auf der Cover-Version seines "Western Sunrise" eingesetzt, sondern auf dem straffen Afrobeat von "Fenytola", einem Tribut an Fela Kuti und seinen Schlagzeuger Tony Allen. Andy Bey wiederum, der seinen Namen vor allem als Vokalist für Horace Silver gemacht hat, interpretiert Carns "Western Sunrise" neu. Dieser Ausflug in den treibenden, funky Soul-Sound der 70er ist für den 64-jährigen, der in den letzten Jahren vor allem mit intensiven Jazz-Balladen von sich hören ließ, eine Zeitreise. "Er hat sich auf dieses Experiment voll und ganz eingelassen und wirklich mit dem Material gearbeitet, dass wir ihm geschickt haben, statt auf seinem derzeitigen Sound zu bestehen.", sagt Till.

Intuit geht es nicht darum, die von ihnen geliebte Musik, genau zu kopieren. Bei oberflächlichem Hören könnte man ihr Debut-Album für ein Werk der 70er halten. Aber nicht nur die druckvollere Produktion stellt klar, dass es sich um ein aktuelles Album handelt. Durch geschicktes Fusionieren der unterschiedlichen Stilrichtungen schaffen sie einen zeitgemäßen Sound. Während sich die Broken-Beat-Szene über den Umweg des Samplens langsam in Richtung Live-Instrumentierung vorgearbeitet hat, kommen hier zwei Menschen aus der entgegengesetzten Richtung. Man hört ihren traditionell instrumentierten Stücken an, dass sie die Entwicklungen im Clubland registriert haben. Ihre Adaptionen und Fusionen aus afroamerikanischen, brasilianischen und afrikanischen Musiken sind straffer und durchschlagender als die Originale. Gleichzeitig sind sie organischer als die Clubproduktionen. Die perfekte Symbiose aus Tradition und Moderne. Aber das ist erst der Anfang. Für die Zukunft versprechen Thomas Braun und Till Maragnoli - analog zu den Wurzeln, die das Cover ihres Albums zieren - ihren Sound in noch weitere Richtungen zu strecken.

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