Friedrich Hölderlin: Turmgedichte Christian Reiner

Cover Friedrich Hölderlin: Turmgedichte

Album Info

Album Veröffentlichung:
2012

HRA-Veröffentlichung:
06.07.2017

Label: ECM

Genre: Spoken Word

Interpret: Christian Reiner

Komponist: Friedrich Hölderlin (1770-1843)

Das Album enthält Albumcover Booklet (PDF)

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  • 1 Als wie der Tag die Menschen hell umscheinet 00:46
  • 2 Wenn aus dem Himmel hellere Wonne sich 03:49
  • 3 Nicht alle Tage nennet die schönsten der 00:35
  • 4 Es ist eine Behauptung der Menschen 00:39
  • 5 Der offne Tag ist Menschen hell mit Bildern 01:42
  • 6 Wenn sich der Tag des Jahrs hinabneiget 01:12
  • 7 Wenn die Menschen das bemerken 01:28
  • 8 Wenn auf Gefilden neues Entzücken keimt 01:10
  • 9 Wenn aus sich lebt der Mensch 01:25
  • 10 Des Geistes Werden ist den Menschen nicht verborgen 01:12
  • 11 Wenn neu das Licht der Erde sich gezeiget 01:20
  • 12 Die Linien des Lebens sind verschieden 00:48
  • 13 Das Erntefeld erscheint, auf Höhen schimmert 01:43
  • 14 Noch ist die Zeit des Jahrs zu sehn 01:04
  • 15 Wenn Menschen fröhlich sind 02:07
  • 16 Das Feld ist kahl 01:08
  • 17 Wenn blaicher Schnee verschönert die Gefilde 02:40
  • 18 Wenn ungesehn und nun vorüber 01:46
  • 19 Wenn über dem Weinberg es flammt 00:47
  • 20 Das Glänzen der Natur ist höheres Erscheinen 01:30
  • 21 Den Menschen ist der Sinn ins Innere gegeben 00:36
  • 22 Nun versteh ich den Menschen erst 00:31
  • 23 Die Sonne kehrt zu neuen Freuden 01:14
  • 24 Freundschaft, Liebe, Kirch und Heilge 01:23
  • 25 Du edles Wild 02:02
  • Total Runtime 34:37

Info zu Friedrich Hölderlin: Turmgedichte

Christian Reiners „Turmgedichte“ ist nach „Hölderlin gelesen von Bruno Ganz“ (1989) und dem Hörbuch „Scardanelli“ (2004) die dritte Veröffentlichung auf ECM New Series, die sich mit dem Schaffen des großen Lyrikers Friedrich Hölderlin auseinandersetzt.

Im Alter von 37 Jahren, in der Mitte des Lebens, wird Friedrich Hölderlin 1807 als unheilbar geisteskrank aus einem Tübinger Klinikum entlassen und in die Obhut eines ortsansässigen Tischlermeisters gegeben. In dessen Stadtturm am Neckar verbringt der Dichter die gesamte zweite Lebenshälfte als Kostgänger. Fast vier Jahrzehnte lang dämmert er in einem bescheidenen Erkerzimmer mit einem Bett und ein paar Büchern dahin. Wenn Hölderlin nicht hochstilisierte Briefe schreibt oder Gedichte verfasst, unterhält er sich gerne damit, „halbe Tage lang [...] Gras auszureißen“ oder „daß er ein Schnupftuch in die Hand nimmt, und auf die Zaunpfähle damit zuschlägt“, wie Hölderlin-Biograph Wilhelm Waiblinger berichtet. Besuchern stellt er sich mit Fantasienamen wie „Killalusimeno“, „Buonarotti“ oder „Rosetti“ vor. Ab 1837 unterschreibt er seine Gedichte mit „Scardanelli“ und fiktiven Datumsangaben.

Radikal gewandeltes Spätwerk: Die während der Turmjahre entstandenen Gedichte unterscheiden sich deutlich von Hölderlins früheren Werken. So verzichtet der Lyriker nun völlig auf antike Versmaße, verwendet häufig Reime und setzt auf sprachliche Schlichtheit. Seine Themenwahl beschränkt sich weitgehend auf die Natur, Jahreszeiten oder die Aussicht. Dem Subjektivismus seiner Zeit setzt Hölderlin den konsequenten Verzicht auf ein lyrisches Ich entgegen. Anlass für ein neues Gedicht gibt häufig ein Besucher. Immer wieder wird Hölderlin gebeten, „ein Paar Zeilen zum Andenken“ zu schreiben. Auf Wunsch Johann Georg Fischers, dem der Dichter zuvor die Wahl aus den Themen Griechenland, Frühling und Zeitgeist überlässt, entsteht „Zeitgeist“. Und für sein vermutlich letztes Gedicht „Die Aussicht“ benötigt er lediglich 12 Minuten. Sind Hölderlins frühere Autographen oft mit Korrekturen übersät, entstehen sie nun vielfach auf Zuruf und scheinbar leichthin.

Neue Deutungsversuche: Friedrich Hölderlins späte und späteste Lyrik wurde lange Zeit als Begleiterscheinung seiner psychischen Erkrankung ignoriert. Erst in den 1960er Jahren setzte eine genauere Erforschung des Spätwerks ein. Seither entwickelte die Literaturwissenschaft eine Reihe neuer Deutungsansätze. So betont Bernhard Böschtenstein, dass „Geisteskrankheit und gültige Poesie einander keineswegs auszuschließen brauchen“, während Christian Oestersandfort das Pseudonym „Scardanelli“ als „Künstlerkonfiguration einer Dichtung der Bescheidenheit“ deutet. Winfried Kudszus wertet das Spätwerk als Neuanfang, den Hölderlin angesichts der Konfrontation mit den Grenzen seiner sprachlichen Möglichkeiten unternahm. Und Michael Franz und Dietrich Sattler etwa sehen die letzten Gedichte als Ausdruck einer „wiedererlangten Kindheit“, den Endpunkt einer bis dato „in ihrer Radikalität nicht vorstellbare[n] Revolution der Gesinnungen und Vorstellungsarten“, um nur einige Theorien anzudeuten.

Behutsame Annäherung: Der Schauspieler, Stimm- und Sprechkünstler Christian Reiner, dessen Arbeiten häufig im Zwischenbereich von Sprache und Musik angesiedelt sind, rezitiert auf „Turmgedichte“ 25 der letzten Gedichte Friedrich Hölderlins. Das von ECM New Series präsentierte Albumprojekt geht aus dem Programm „Mit Unterthänigkeit Scardanelli“ hervor, in dem Reiner Hölderlin-Gedichte vorträgt und begleitet von Kontrabassist Christian Weber Fragmente von Wolf Wondratschek und Ernst Hebeck als Ausgangsmaterial für weitläufige Improvisationen nutzt. Auf der im Januar 2012 von Manfred Eicher und Wolf Wondratschek gemeinsam produzierten Aufnahme wagt Christian Reiner eine Annäherung an das rätselhafte Spätwerk Friedrich Hölderlins, die zugleich von Behutsamkeit und großer Ausdruckskraft geprägt ist.

Christian Reiner, Sprecher

Recorded January 2012, Garnison 7, Wien
Engineered by Martin Siewert
Mastering by Christoph Stickel at MSM Studio, Munich
Produced by Manfred Eicher, Wolf Wondratschek




Christian Reiner
ist Sprecher von Gedichten, Prosa und experimentellen Texten.

Solo und in unterschiedlichen Formationen arbeitet er an Hörstücken, Theaterprojekten, Lesungen, Konzerten und CD-Einspielungen. Seine Arbeiten sind meist im Zwischenbereich von Sprache und Musik zu finden. Mit improvisierenden Musikern und Tänzern kooperiert er seit Mitte der 90er Jahre und entwickelte seine ihm eigene Art und Weise, mit gesprochenem Wort und den Möglichkeiten der menschlichen Stimme zu improvisieren. In unterschiedlichen Formationen und Ensembles, präsentiert er seine Arbeiten auf Festivals, bei Gastspielen und Konzerten. Für ein junges Publikum auch auf Kinderaugenhöhe.

Seine Stimme setzt Christian Reiner seit 1996 auch als Sprecher für Film, Funk, Fernsehen ein. Seit 1999 wirkt er in verschiedenen Theaterproduktionen mit.

1970 geboren in München, lernt er vorerst den Beruf des Maschinenschlossers und ist ab 1986 Sänger in verschiedenen Rockbands.

Nach einer klassischen Gesangsausbildung (neben anderen bei Bennie Gilette) beginnt er 1994 das Studium der Phonetik an der Ludwig-Maximilian-Universität in München. 1995 bis 1999 studiert er Sprechkunst/Sprecherziehung an der staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst, Stuttgart. Hier experimentiert er mit der Verbindung von Gesprochenem Wort und Musik, tritt in unterschiedlichen Ensembles auf, entwickelt sein erstes Hörspiel und wird 1999 Stipendiat der Kunststiftung Baden-Württemberg.

2000 folgt der Umzug nach Berlin. Heute lebt er in Wien.



Booklet für Friedrich Hölderlin: Turmgedichte

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