Es mag vielleicht übertrieben sein, von einer aktuell herrschenden Schwemme konzertierender Cello-Solisten zu reden. Jedenfalls aber findet man auf Konzertpodien häufiger denn je junge und jüngste Cellisten weibliche oder männlichen Geschlechts als Solisten in Cellokonzerten von Boccherini und Haydn über Schumann und Dvořák bis Elgar und Schostakowitsch. Vor wenigen Jahrzehnten waren Cellisten nahezu ausnahmslos männlichen Geschlechts und eher fortgeschrittenen Alters, von der Ausnahme-Cellistin Jacqueline du Pré einmal abgesehen, die frischen Wind in die ein wenig angestaubte Celloszene brachte, von dem auch heute noch die jungen Wilden des Cellospiels getrieben sind. Zu denen gehört Marc Coppey mit seinen 47 Lebensjahren schon länger nicht mehr. Geboren im elsässischen Straßburg, der Heimat so manches berühmten Musikers, wie etwa dem einer Musikerdynastie entstammenden Geiger und Dirigenten Charles Munch, machte er sich als Gewinner des Leipziger Bachwettbewerbs mit gerade einmal 18 Jahren einen Namen. Danach ging es die Karriereleiter steil hinauf. Heute findet man Marc Coppey auf den berühmtesten Konzertbühnen der Welt als Solist, aber auch als Kammermusiker zusammen mit Pianisten, wie etwa Maria-João Pires, Stephen Kovacevich, Nicholas Angelich, Aleksandar Madzar, Michel Beroff und Victoria Mullova, und über fünf Jahre hinweg als Cellist des Ysaÿe Quartetts.
Beim Berliner Label audite erschien jetzt ein Album mit dem Dvořáks Cellokonzert, dem Adagio Klid und Blochs Schelomo. Das Dvořák-Konzert ist für die Cellisten das, was der Tschaikowski Nr. 1 für Pianisten ist: ein Schlachtross, das man im Repertoire haben muss, und das ähnlich dem Tschaikowski-Konzert nahe darin ist, tot geritten zu werden. Allenfalls ein klassischer Ansatz fern vordergründiger, zappeliger Schau vermag dem alsbaldigen Ableben dieser an sich wunderbaren Komposition noch entgegenzuwirken. Und genau auf diesem Pfad wandelt Mark Coppey mit nahtlosem, vollem Ton, eher zurückhaltendem Vibrato und unaufgeregt ruhigem Phrasieren, das den Überblick über das Ganze und den gezielten Ausblick auf das Kommende hektisch aufgeheizten Stimmungswechseln und romantisch verzückter Nabelschau vorzieht. Nein, dieser Ansatz transportiert keineswegs gepflegte Langeweile. Vielmehr sorgt er für strukturellen Durchblick und eröffnet Einsichten in ein Werk, das keinesfalls selten als Vehikel für Exhibitionismus herhalten muss. Ein Solist, wie Marc Coppey, der hinter die Komposition zurücktritt, dieser also uneingeschränkt ihre Wirkung ausleben ist im Konzertbetrieb eher selten und erinnert wohltuend an den großen Cellisten Emanuel Feuermann. Das Cellokonzert von Dvořák findet Widerhall in seinem Adagio ‘Klid’ (Waldesruhe), das vom Cellisten gleichermaßen liebevoll präsentiert wird wie das Konzert.
Nicht viel weniger prominent in der Celloliteratur, aber nicht so häufig aufgeführt wie das Dvořák-Konzert, ist die mitten im ersten Weltkrieg entstandene „Rhapsodie hébraïque pour Violoncells et grand orchestre“, deren melancholische, zuweilen majestätische Grundstimmung einen markanten Kontrapunkt zur lebensfrohen, naturverbundenen Stimmung des Dvořák-Konzerts setzt. Den im besten Sinne eher nüchterne Ansatz für das Dvořák-Konzert pflegt Marc Coppey nicht weniger erfolgreich auch für Schelomo. Dabei steht ihm der Dirigent Kirill Karabits mit dem Deutschen Sinfonieorchester gleichgesinnt zur Seite. zählen, der den Cello-Gesang mit einem sehr inspirierten Orchester unterstützt.
Gang und gäbe ist bei audite die exzellente Aufnahmetechnik, mit der auch dieses Album erstellt worden ist, und die vor allem in Gestalt des vorliegenden hochaufgelösten Downloads voll zur Geltung kommt.
Marc Coppey, Cello
Deutsches Symphonie-Orchester Berlin
Kirill Karabits, Dirigent