Tales of Wanderlust Brot & Sterne
Album info
Album-Release:
2019
HRA-Release:
30.09.2020
Album including Album cover
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- 1 Erdberg 05:23
- 2 Pferdekopfnebel 08:19
- 3 ksf (bei Nacht) 07:39
- 4 Silbersee 03:49
- 5 Jakobsmuschelweg 06:05
- 6 Uman Vulkan Umaduma 05:17
- 7 Ständchen für Habibi 05:46
- 8 Wer viel fragt geht irr 07:05
- 9 La Foret du Morvan 06:09
Info for Tales of Wanderlust
Vor gut zwei Jahren erschien das Debütalbum dieser österreichischen All Star-Band, deren Sound mindestens so individuell ist, wie es die ungewöhnliche Instrumentenliste verspricht. Mit Tales Of Herbst hinterließen die musikalischen Geschichtenerzähler 2017 tiefe Eindrücke bei Publikum und internationalen Medien. Das Jazzpodium erkannte „...eine genreübergreifende Musik der zarten Töne und feinsinnigen Entwicklungen. Jazzidiom, Improvisation, Folklore und Ethno verknüpfen diese drei Könner zu einer ganz eigenen World Music.“ Und Londonjazznews begeisterte sich auch fürs Konzert: „The album has a darkly electronic atmosphere reminiscent of Nils Petter Molvar and Marilyn Mazur. The live performance brought out the subtle melodic beauty of the compositions and gave an extended insight into the delicacy and restraint of the trio's richly layered unity of improvisation. It was fascinating to see how such a modern sound is created with these instruments.“
Nun also Tales Of Wanderlust. Titel und Coverfoto deuten es an, die Band war unterwegs. Europaweite Auftritte führten sie u. a. zum Festival Glatt & Verkehrt, ins Wiener Konzerthaus und in die Philharmonie Warschau. Im Lauf der Konzerte gestalteten Drehleier-Revolutionär Loibner, Trompeten-Avantgardist Hautzinger und Perkussions-Weltenbummler Rosmanith ihre feingliedrigen Interaktionen immer intuitiver. So konnten sie im September 2018 völlig frei an die neuen Aufnahmesessions herangehen. „Auf der ersten CD gab es noch Themen, die jeder von uns ins Studio mitbrachte und die uns später bei den Improvisationen in Konzerten als Anker dienten“, beschreibt Peter Rosmanith die Entwicklung. „Aber schon damals bewegten wir uns live oft spontan in ganz andere Richtungen. Deswegen haben wir nun auf solche Anker komplett verzichtet.“
Die Aufnahmen zu Tales Of Wanderlust fanden in Morvan im französischen Burgund statt. Eine recht menschenleere Gegend und seit einiger Zeit die Wahlheimat des geborenen Burgenländers Franz Hautzinger. Neben kleinteiliger Landwirtschaft gibt es dort vor allem eine unvorstellbare Ruhe, die nur alle drei Tage durch die Hupe eines fahrenden Bäckers unterbrochen wird. Eine Woche quartierte sich das Trio in einer Scheune ein, insgesamt vier Tage wurde aufgenommen. Darüber hinaus genossen die Musiker das französische Lebensgefühl beim gemeinsamen Kochen, Essen, Weintrinken. Es habe ausgeschaut wie in einem Film aus den Siebzigern, erzählt die Band. Selbst wenn gelegentlich kritisch diskutiert wurde, blieb die Atmosphäre extrem entspannt, beinahe paradiesisch. Anders als bei üblichen Sessions, in denen klar umrissene Stücke womöglich in mehreren Takes eingespielt werden, entstand die Musik hier erst im Lauf des Prozesses. Man könnte es instant composing nennen, zumal das Ergebnis des Trios durchaus harmonisch ist. Brot & Sterne vermeiden allzu sperrige Töne, ihre transparente Musik entwickelt vielmehr ein sanftes, lockendes Leuchten, selbst in den etwas verschatteten oder mysteriös anmutenden Passagen. Hintergründige Melodien und eher zurückhaltende Grooves bereichern die poetische, zuweilen fast tranceähnliche Ausstrahlung. „Nach jedem Take haben wir lange darüber gesprochen, wo wir unterwegs vielleicht falsch abgebogen sind“, erklärt Rosmanith, „wir sind beim nächsten Mal aber nicht an diese Stelle zurück, sondern mit den neu gewonnenen Erkenntnissen immer weiter gegangen.“
Selbstverständlich haben die drei Klangfarbenmaler alles, was auf Tales Of Wanderlust zu hören ist, live und ohne Overdubs gespielt. Franz Hautzinger zählt nicht zufällig zu den innovativsten Trompetenvirtosen mindestens Europas. Luftgeräusche, Viertel- und Mikrotöne, phantasievolle erweiterte Spieltechniken: sein couragierter Gestaltungswillen wird seit über zwei Dekaden von Ensembles der Neuen Musik (beispielsweise Zeitkratzer, London Improvisers Orchestra), von Jazz-Querdenkern (Derek Bailey, Keith Rowe) und Pionieren elektronischer Klanglandschaften (Christian Fennesz) geschätzt. Matthias Loibner, wegen seiner progressiven Spielweise bisweilen Jimi Hendrix der Drehleier genannt, hinterließ markante Klangspuren etwa bei der Jazzbigband Graz (JBBG), in Weltmusik-Projekten mit Musiker*innen vom Balkan, aber auch durch eigenwillige Schubert-Interpretationen oder einem Auftritt mit zwei DJs beim Roskilde Festival. Peter Rosmanith zeigt allein mit seinem Perkussion-Setup, dass er weit über Beats und ungerade Metren hinaus denkt. Früher spielte er Mittelalter- und Worldmusic, dann mit dem Akkordeon-Freigeist Otto Lechner. Heute holt Rosmanith arabische Rahmentrommeln und Darbukka, Tabla und Tonvase, Cajon und die avancierten, sorgfältig gestimmten Steel-Drums Hang aus ihrem typischen Kontext, um sie für seine persönlichen Ideen zu nutzen. Die Instrumente eröffnen dem weitgereisten Künstler unzählige Möglichkeiten, gleichzeitig Grooves und Sounds von großer Suggestionskraft zu kreieren.
Schon vor der Gründung von Brot & Sterne hatten Hautzinger und Rosmanith in verschiedenen Projekten zusammengearbeitet, etwa mit dem Oud-Spieler Marwan Abado. Hautzinger hatte dann auch die wegweisende Idee, ein Trio mit Matthias Loibner zu starten. „Bei unserer ersten Probe erlebten wir, ohne uns vorher viel abgesprochen zu haben, ein spontanes gemeinsames Einverständnis“, erinnert sich Rosmanith. Danach folgten indes ausgiebige Unterhaltungen und Reflexionen darüber, wohin man gemeinsam gehen wollte und wie man das erklärte Ziel, komplexe Musik aus Improvisationen heraus zu entwickeln, erreichen würde. Seitdem versteht sich das Trio als Kollektiv. „Es gibt keine Hierarchie, wir hören uns gegenseitig zu und lassen uns Raum“, beschreibt Rosmanith das Bandgefühl. Erstmals ins Rampenlicht traten Brot & Sterne, als sie die Musik zum Hörspiel Das Wechselbälgchen von Christine Lavant mit Sophie Rois gestalteten. Die Ö1-Produktion wurde 2015 vom Publikum des Senders zum Hörspiel des Jahres gewählt.
Nicht nur der letzte Titel des neuen Albums, La forêt du Morvan, bezieht sich auf reale Orte und Ereignisse, die mit der Musik von Tales Of Wanderlust in Verbindung stehen. Den Auftakt macht mit Erdberg eine humorvolle Hommage an den 3. Wiener Bezirk und Joe Zawinul, der einst dort zuhause war. Das folgende Pferdekopfnebel meint die gleichnamige Galaxie und reflektiert den atemberaubenden nächtlichen Himmel über Hautzingers Wahlheimat. Das zumindest im Titel kryptische Ksf (bei Nacht) stammt von Peter Rosmanith. „Ich bin im Waldviertel geboren, dort ist es die Hälfte der Zeit Winter und den Rest des Jahres kalt. Die Hochebene mit ihrem vielen Schnee hat etwas von der sibirischen oder kanadischen Weite. Durch die Kooperation mit Marwan Abado reiste ich in viele Wüsten und Abado sagte irgendwann: 'die Trennung von Sand und Schnee ist nur eine Illusion'. Inzwischen gibt es im Waldviertel Lamas, da ist es nicht mehr weit zu einer Kamelschlittenfahrt.“ Gegenwärtiges steckt hinter Jakobsmuschelweg, bei dem die Improvisation vom Groove ausgeht. Tatsächlich führt der berühmte Jakobsweg durch die Gegend, in der sich das Trio aufhielt; zu seiner Kennzeichnung sind die gleichnamigen Muscheln in den Boden eingelassenen. Ohne Ortsbezug ist dagegen Wer viel fragt geht irr. Das österreichische Sprichwort ziert ein Stück mit vielen Abschnitten, die musikalisch jeweils unterschiedliche Richtungen einschlagen.
Letztlich spielt der Albumtitel Tales Of Wanderlust nicht nur auf die Reisen der Musiker, sondern auch auf die Musik selbst an. „Beim Anhören der Aufnahmen erkannten wir eine ständige Bewegung in den Stücken“, erklärt Peter Rosmanith. Vorankommen ist essentiell für die Philosophie der Band. „Dinge ergeben sich, wenn man losgeht“, sagt Rosmanith, „wir greifen auf, was uns begegnet ist, worauf wir gestoßen sind, indem wir Leute getroffen haben.“ Wer mit offenen Augen und Ohren unterwegs ist, hat nachher etwas zu erzählen. Das ungewöhnliche Trio Brot & Sterne weiß mit nuancierten Klängen facettenreiche Bilder bei seinen Hörer*innen zu suggerieren. Ob hintersinnig und schwebend oder pointiert angeraut: diese atmosphärische Musik vermittelt eine ganz eigene Imaginationskraft.
"Ihre transparenten räumlichen Klangabenteuer wirken noch detailreicher als zuvor und konstituieren eine hinreißende Balance aus fließenden Rhythmen, mikrotonalen Verschiebungen, kantigen Harmonien und markanten Grooves, ohne ins Abgehobene zu driften. Gläsern und detailreich klingen die Farbschattierungen der Instrumente, akustische und elektronische Töne verschmelzen ineinander, Vertrautes und Fremdes stehen in reizvollen Kontrasten – extrem entspannt und zugleich in ständiger Bewegung. Aufregend gut." (Jazzthing)
Franz Hautzinger, Trompete, Electronics
Matthias Loibner, Hurdy-Gurdy, Electronics
Peter Rosmanith, Percussion, Hang
Brot & Sterne
das sind drei Meister auf ihren Instrumenten: Franz Hautzinger (Trompete), Matthias Loibner (Drehleier) und Peter Rosmanith (Perkussion, Hang). Sie sind aber auch drei Freunde, die herzlich, genießerisch und behutsam Träume herbeimusizieren, in denen sich Bilder und Töne ganz ungewöhnliche Geschichten erzählen. "Tales of Herbst" ist das erste Album des Trios. Es setzt sich ganz ungezwungen irgendwo auf freie Stühle zwischen Jazz, Weltmusik und Klassik. Kein Wunder. Franz Hautzinger gilt als trompetender Freigeist, der seit Jahren seinen eigenen Weg geht und im Jazz sowie in der freien Improvisationsszene hoch geschätzt wird. Matthias Loibner ist ein Innovator auf seinem altehrwürdigen Instrument und hat für sein expressives Spiel schon den Beinamen "Jimi Hendrix der Drehleier" erhalten. Peter Rosmaniths handgreifliche Tätigkeiten reichen vom feste Dreinschlagen übers dezente Anklopfen bis zum sanften Streichen - egal wie, mit jedem seiner Impulse entfacht er einen Groove, in dem sich die Klänge seiner beiden Mitstreiter perfekt betten.
"... Es ist ein echtes Erlebnis, sich durch „Tales of Herbst“ zu hören, eines, das wirklich in einem hohen Maße die Fantasie anregt. Franz Hautzinger, Matthias Loibner und Peter Rosmanith zeigen sich auf ihrem Album als Geschichtenerzähler, denen es auf ganz besondere Art gelingt, mit ihrer Musik ganz tief unter die Haut zu gehen." (mica.at, Michael Ternai)
This album contains no booklet.