Rhythm Dissection Olga Reznichenko Trio

Album info

Album-Release:
2024

HRA-Release:
03.05.2024

Label: Traumton

Genre: Jazz

Subgenre: Contemporary Jazz

Artist: Olga Reznichenko Trio

Composer: Olga Reznichenko (1989)

Album including Album cover

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Formats & Prices

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FLAC 96 $ 13.20
  • 1A Ballad For a Cowboy Who Is Yet To Find Out About Fear06:52
  • 2Elegie07:38
  • 3Hopeful Anxiety04:49
  • 4Solaris05:48
  • 5Polyphobic Impromptu05:59
  • 6Salty Drunk Fish05:32
  • 7Old Feeling06:58
  • 8Trampelpfad06:12
  • 9Rhythm Dissection07:12
  • Total Runtime57:00

Info for Rhythm Dissection

Im Mai 2022 erschien Somnambule, das Debütalbum des Olga Reznichenko Trio, bald darauf konnte sich die in Leipzig ansässige junge Band über hervorragende Resonanz in den Medien freuen. Rondo lobte ihr „feines Gespür für ungewöhnliche Songentwicklungen“, Concerto hielt fest: „Reznichenko greift wuchtig und temporeich in die Tasten und das wirkt wohltuend. […] Für Spannung ist gesorgt, selbst wenn sie ihren klassischen Background, wie bei ‚Slipping Pace Returnig Time‘ mit einbezieht.“ Bei WDR3 zählte Somnambule zu den besten deutschen Jazzalben 2022: „Sie überwältigt auf ihrem Debütalbum mit einer Fülle an melodischen Einfällen, die sie in nicht enden wollenden Wendungen immer weiter fortspinnt.“

Das Repertoire von Somnambule ging von imaginären Traumsequenzen aus, die Stücke auf Rhythm Dissection sind dagegen von realen Erlebnissen und – vor allem – von musikalischen Ideen inspiriert. „Rhythmisch und auch harmonisch ist das neue Album viel komplexer als unser Debüt“, erklärt Reznichenko, „der Fokus liegt mehr auf Improvisation, in vielen Formen gibt es eine stärkere Verbindung zum Jazz. Dabei betrachte ich Improvisationen als Teil der Komposition, sie sind also nicht völlig frei, sondern verstehen sich als Erweiterung der Motive.“

Ein weiterer essenzieller Aspekt sind ungerade Metren, für die sich Reznichenko schon länger begeistert. Zu hören ist das bereits auf dem Debütalbum, etwa bei „Final Mirrors“ in 11/8. Im aktuellen Repertoire, das überwiegend 2022 entstanden ist, wechseln die „krummen“ Takte beinahe ständig. Auch innerhalb der Stücke, die gleichwohl sehr lebendig, souverän und unprätentiös wirken. „Wie es scheint, ist ein 5/4 mein natürlicher Flow, das Metrum erscheint in vielen meiner Improvisationen“, lacht die 1989 geborene Musikerin, die im Januar 2023 ihren Master-Abschluss an der Leipziger Hochschule absolviert hat.

Reznichenkos Kompositionen sind wohl durchdacht, aber auch stets warmherzig. Tatsächlich basieren einige Stücke im Kern auf purer Intuition, beispielsweise „Elegie“. „Das Thema habe ich zunächst improvisiert und für mich zuhause aufgenommen. Erst beim Transkribieren fiel mir auf, dass sich das Metrum ständig ändert.“ Zunächst hätte sie versucht, das Stück in einen 4/4-Takt zu bringen, mit unbefriedigendem Ergebnis. Die Konsequenz war, im Trio gemeinsam eine freie Form zu kreieren. Obwohl Reznichenko häufig sehr klar in ihren Kompositionen ist, bleibe stets Raum für Ideen und Impulse ihrer beiden Musiker Max Stadtfeld und Lorenz Heigenhuber, sagt sie. So entwickelten sich einige Facetten der Stücke in Interaktionen.

Mit den besagten Rhythmusvariationen gehen überraschende Wechsel von Tempi und Stimmungen einher. Der Aufmacher „A Ballad For A Cowboy Who Is Yet To Find Out About Fear“ gibt die Richtung vor. Einem lockend-melodischen Thema folgt eine wuchtig-dynamische Passage, die Nervosität, Beklemmung oder gar Bedrohliches suggeriert; in der daraus erwachsenden Improvisation verflüchtigen sich aber die meisten dunklen Wolken wieder. Das Mäandern von eingängigen Motiven zu abstrakteren, aber nie vollends aus der Form tretenden Expressionen zieht sich durch viele Stücke. Ebenso wie Max Stadtfelds extrem agile, teils rockig-druckvolle Schlagzeug-Unterstützung, mit der er sich mehr denn je als gleichberechtigte Stimme im Trio etabliert. Heigenhubers subtiler Kontrabass sorgt je nach Bedarf für Grundierung oder weiteren Auftrieb im teils wunderbar transparenten (vergl. „Solaris“, „Old Feeling“), teils hochverdichteten Zusammenspiel. Der dramaturgische Bogen des Albums trägt soghafte Züge, er gipfelt im Stück „Trampelpfad“ mit seiner insistierenden Stakkato-Ästhetik und verschobenen Rhythmik sowie im überschäumenden finalen Titelstück, das im positiven Sinn aufstachelt.

„Ich mag gerne laute Musik“, grinst Olga Reznichenko und nennt als Beispiel die Metal-Band Pantera. Das Spektrum ihrer Inspirationsquellen reicht ansonsten von Noise Rock über Avantgarde und Free Jazz bis zur Klassik, mit der sie ihre ersten Jahre am Klavier zugebracht hat. Speziell die Spätromantiker und Impressionisten haben es ihr angetan, ebenso Ligetis und Xenakis‘ Klavierwerke, außerdem „vom Klang her“ Kompositionen des Spektralmusik-Vertreters Georg Friedrich Haas.

Neben solchen Einflüssen, die sich zum allergrößten Teil allenfalls in Nuancen ausmachen lassen, wurden manche Stücke Reznichenkos von Eindrücken abseits der Musik geprägt. „Zu ‚Salty Drunk Fish‘ hatte ich eine Improv-Skizze, größtenteils habe ich das Stück aber auf Sardinien geschrieben“, erzählt sie. „Solaris“ ist, wie der Titel ahnen lässt, unter dem Eindruck von Andrei Tarkowskis Spielfilm nach dem Roman von Stanislaw Lem entstanden. „Ich habe den Film mehrfach angesehen und die Atmosphäre genossen, besonders weil man nach einer Weile nichts mehr an Action erwartet. Für das Stück wollte ich genau diese Ästhetik umsetzen.“

Insgesamt würden sie heute vehementer, teils auch wilder spielen als vor vier Jahren, findet Reznichenko. Fast alle Stücke des Albums wurden vor dem Studiotermin im Februar 2023 in Konzerten er- und geprobt, lediglich das vergleichsweise einfache „Old Feeling“ mit seinem nahezu durchgehenden 6/8-Groove kam erst kurz vor den Aufnahmen dazu. „Nach zwei Tagen hatten wir viele richtig gute Takes, darunter gab es einige Momente, in die ich sofort verliebt war“, lässt Reznichenko die Konzentration und Intensität im Bauer Studio Ludwigsburg erkennen. „Es war auch eine schöne Erfahrung, auf diesem Steinway D von 1920 zu spielen, an dem schon so viele berühmte Pianisten saßen.“

Diese Spielfreude offenbart sich nun auch dem Publikum. Viele Passagen auf Rhythm Dissection wirken energiegeladen oder gar euphorisch. Das profunde Können des Trios und Olga Reznichenkos klarer Gestaltungswille, das lustvolle Spiel mit rhythmischer Raffinesse und weiten Bögen, Klangfarben und Stimmungen zeichnen das Album aus. Und sie untermauern den von BR Klassik anlässlich Somnambule festgestellten herausragenden Status der Band in der aktuellen Jazz-Szene. Der Sender lobte die „avancierte, harmonisch und rhythmisch anspruchsvolle Musik“ und konstatierte: „Mit ihrem Debütalbum als Bandleaderin kann sich Olga Reznichenko […] nicht nur behaupten, sondern auch schon herausragen.“

Olga Reznichenko, Klavier, Kompositionen
Maximilian Stadtfeld, Schlagzeug
Lorenz Heigenhuber, Kontrabass

Recorded Feburary 2023 by Johannes Kellig at Bauer Studios, Ludwigsburg
Mixed & mastered by Martin Ruch at Control Room, Berlin




Olga Reznichenko
In nie erschöpfender, sprudelnder Energie gibt sich die Jazzpianistin und Komponistin Olga Reznichenko dem Ausloten der Extreme hin. Sowohl der Impuls fast zerstörerisch auf ihr Instrument einzuspielen, als auch der Genuss der schönen, friedlichen Klänge finden in ihrem intuitiven Spiel ganz natürlichen Raum. In ihrem gleichnamigen Trio verbindet Olga Reznichenko komplexe harmonische und rhythmische Strukturen mit einer simplen, fast minimalistischen Textur und leicht zugänglichen Melodien. Zugleich spiegelt sich ihr ausgeprägtes Gefühl für Ästhetik ausdrucksstark in ihren Kompositionen wider. Die überwiegend aus Improvisationen heraus geborenen Stücke bieten der puren, intuitiven Spielfreude Reznichenkos Raum, um ihr volles musikalisches Potential entfalten zu können. Olga Reznichenko wird 1989 in Taganrog, Russland geboren, wo sie im Alter von acht Jahren ihre musikalische Ausbildung zur klassischen Pianistin beginnt. Nach mehreren Jahren intensiven Studierens erregt eines Tages die Jazzabteilung, welche unter dem gleichen Dach der Musikfachschule übt, lernt und lässig auf den Gängen hängt, ihre Aufmerksamkeit. Das Jazzfeuer ist entfacht und ihre Finger beginnen auf den Tasten neue Wege zu finden, um das Klavier zum klingen zu bringen. Ihren Eltern ist die Welt des Jazz zunächst suspekt und so verschweigt Reznichenko es ihnen, als sie im Rahmen ihrer Ausbildung Jazzklavierunterricht in dem einige Bahnstunden entfernten Rostow bekommt. Es folgt ein halbes Jahr des heimlichen Pendelns zwischen den Welten, den sich die pubertierende Olga durch einen Nebenjob als Korrepetitorin für die Posaunenklassen finanziert. Nach der Wiederherstellung des Familienfriedens und der elterlichen Einsicht, dass Olgas Gemüt und Spielfreude im Jazz und der Improvisation zu Hause sind, besteht sie 2008 die Aufnahmeprüfung für Jazzklavier an dem staatlichen S.W.-Rachmaninow-Konservatorium in Rostow. 2012 folgt Olga Reznichenko dem Kommilitonen und Jazz Saxofonisten Evgeny Ring an die Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy" nach Leipzig. Neben ihrer Neugier auf die europäische Jazzszene, treibt sie außerdem die Faszination für die gotischen Kirchen Europas und die Aussicht auf gründlich ausgebaute Radwege zu diesem Wechsel. Reznichenko studiert bei den Professoren Richie Beirach und Michael Wollny und entscheidet sich, nach erfolgreich abgeschlossenen Bachelor of Music auch für den Master of Music in Leipzig zu bleiben. Mit der Inspiration der modernen russischen Komponisten, wie Rachmaninow, im Herzen, saugt sie ihre neue Umgebung voll auf und taucht in die europäische Jazzszene ein. Mit der Jazzsängerin Sophia Bicking gründet sie die Band “Sophia&Olga”. Nach ersten Auftritten bei u.a. dem X-Jazz 2014 und der Veröffentlichung des Debütalbums „Shells in Motion“ in 2017, gewinnt das Duo im gleichen Jahr den zweiten Platz bei den Sparda Jazz Awards der Jazz-Rally Düsseldorf. Reznichenkos Quintett “Ylativ Algo” experimentiert mit weiten Spannungsbögen und greift dabei sowohl auf die Jazz Tradition der 60er Jahre, als auch auf folkloristische Elemente zurück. 2014 gewinnt die Band den GETXO Jazzwettbewerb in Spanien. Mit Theresia Philipp (ts), Robert Lucaciu (kb) und Philipp Scholz (dr) spielt Reznichenko unter dem Bandnamen “A Word is a swallow” auf dem Südtiroler Jazzfest 2021. Sie ist Teil der Leipziger Contemporary Big Band “Spielvereinigung Sued” und spielt auf dem Debütalbum des Nürnberger Schlagzeugers Maximilian Breu. In Bands wie “Space Shuttle” und “Oluma” hört man Olga bisweilen in voller Euphorie am Synths. 2022 erscheint ihr das Debütalbum ihres Trios auf dem renommierten Label Traumton. Durch ihre Mitwirkung als Kuratorin verschiedener Leipziger Musikfestivals gestaltet Olga auch außerhalb ihres eigenen Spiels die Zukunft der Jazzszene Deutschlands mit.



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