Rolf Kühn – Fearless

Review Rolf Kühn – Fearless

Ein leichtes und reiches Album, das zugleich Nachruf und Vermächtnis ist. So ließe sich Fearless umreißen, das letzte Album von Jazz-Klarinettist Rolf Kühn. Aufgenommen 2022, kurz vor dem Tod des damals 92-Jährigen, und jetzt veröffentlicht, vereint es viele Aspekte seines langen Schaffens.

Eingespielt hat Kühn sein Album mit Pianist Frank Chastenier, Kontrabassistin Lisa Wulff und Túpac Mantilla an Schlagzeug und Percussion.

Die Widmung zu Fearless lautet „Freiheit, Leichtigkeit, Liebe und Frieden“. Und tatsächlich lassen sich diese vier Aspekte in der Musik finden. Sieben eigene Kompositionen und drei Coverversionen legen beredt Zeugnis ab.

Wie frei das Quartett die Grenzen auszuloten bereit ist, zeigt sich im Titelstück Fearless, das teilweise bis hinein in Free-Jazz nah am Stimmen im Orchestergraben reicht. Auffällig ist das besonders beim Schlagzeug, das Mantilla häufiger nicht als Timekeeping-Device einsetzt, sondern mit dem sein Spiel um die Phrasen und Melodien seiner Mitspieler herum kreist – zur Eröffnung gleich beim ersten Stück Alpha 47 gut zu erleben. Auch Fun with Kids ist keine gradlinige Darbietung, mit Phrase, Solo, Phrase, sondern eher eine 4:49-minütige Minierzählung von juvenilem Übermut ein Einhalt mit den Mitteln der Musik.

Den Kontrast setzen Stücke wie Somewhere, das mit besengestrichenem Grundbeat, feinem Klavierspiel und sachtem Bass der Klarinette all die notwendigen Grundlagen schaffen, um leicht und präzise zu solieren. Auch As Cape ist eher der klassischen Seite des Jazz verpflichtet, wie auch Tears in Heaven – die Coverv-Version von Eric Claptons Hit wird zur sensiblen Jazzballade mit teils gestrichenem Bass wird.

Die zehn Stücke des Albums sind in sich wunderbare Kleinode, aber auch akustisch sind sie exzellent. Denn das Label MPS steht weiterhin für hohe Güte, wenn auch nicht mehr im Wohnzimmer des einstigen Labelchefs in Villingen aufgenommen wird und MPS inzwischen unter den Fittichen von Edel Music residiert.

Insbesondere die Klarheit des Tons und die Transparenz der Bühne stehen hervor, ebenso die füllige Akustik der Instrumente, denen kein Quäntchen tonaler Äußerung abhanden gekommen zu sein scheint, wenn sie aus den lautsprechern oder – nocht besser zu orten – den Kopfhörern kommt.

Fearless von Rolf Kühn ist in jeder Hinsicht ein großartiges Album und ein verdienter Schlusspunk, um eine hervorragende Karriere zu würdigen. Sehr hörenswert. (Thomas Semmler, HighResMac)

Rolf Kühn, Klarinette
Frank Chastenier, Klavier
Lisa Wulff, Kontrabass
Túpac Mantilla, Schlagzeug, Perkussion

Foto: ©Gregor Fischer Picture Alliance

Rolf Kühn – Fearless

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