Kaipa – Sommargryningsljus

Review Kaipa – Sommargryningsljus

Da sag noch mal einer, Konzeptalbum seien tot, dass Rockmusik keine Geschichten mehr erzählt und Prog Rock ein rein intellektuelles Vergnügen wäre. Alles Unfug. Denn Kaipa hat mit Sommargryningslys genau das veröffentlicht: Ein Prog-Rock-Album, das eine Geschichte erzählt.

Sommargryningslys ist das schwedische Wort für die sommerliche Morgendämmerung. Sie bildet den Endpunkt für die insgesamt acht Songs, in denen die Musik von der Abenddämmerung durch die Nacht bis eben zur Morgendämmerung reist.

Ausgedacht hat sich die Reise Hans Lundin, der inzwischen straffe 76 Lenze zählt und 1973 die Band Kaipa gründete. Auf deren 15. Album wirken neben Keyboarder und Sänger Lundin der Gitarrist Per Nilsson, Jonas Reingold am Bass, Schlagzeuger Darby Todd und die Sänger Aleena Gibson und Patril Lundström als Stammbesetzung mit. Ergänzt wird das Sextett durch Violinistin Elin Rubinsztein, Fredrik Lindquist an Blockflöte und Pfeifen sowie Olof Åslund am Saxophon.

Die ersten beiden Stücke von Sommargryningsljus beschreiben als Auftakt die Abenddämmerung und die letzten beiden repräsentieren die Morgendämmerung. Zwischen diesen beiden Polen entfaltet sich eine nächtliche Odyssee, die als Metapher für den Zustand zwischen Tod und Wiedergeburt oder als Allegorie des Lebens in umgekehrter Reihenfolge betrachtet werden kann.

Die Texte, teilweise Mehrstimmig oder im Wechselgesang vorgetragen, sind teils in Englisch und teils in Schwedisch. Das ist charmant und wirkt authentisch, ist ohne Booklet aber leider phasenweise lediglich ein Klangphänomen, so dass die Bedeutung der Lyrics im Verborgenen bleibt. Gleichsam im nächtlichen Dunkel.

Der Musik tut das keinen Abbruch. Die Stücke sind gehaltvoller, klassischer Progressiv Rock, der ein Feel und die Opulenz der 1970 und -80-er Jahre mit den Mitteln moderner Klangmöglichkeiten weckt. Und auch bei der Länge der Titel lässt sich Kaipa nicht lumpen – Dynamik, Dramatik und Atmosphäre können sich durchaus auf 10 und mehr Minuten erstrecken. Das ist musikalische Erzählung mit langem Atem. Wer traut sich das heute noch?

Sommargryningsljus ist ein beeindruckendes Album. Sensibel, druckvoll und durchgängig musikalisch ist es für gute 80 Minuten angenehm unterhaltend und ist der letzte Ton verhallt, bleibt eine schöner Wohlklang als Echo des gerade Gehörten.

Schön, dass es das noch gibt. (Thomas Semmler, HighResMac)

Hans Lundin, Keyboards, Gesang
Per Nilsson, elektrische und akustische Gitarre
Jonas Reingold, elektrischer Bass
Darby Todd, Schlagzeug
Patril Lundström, Gesang
Aleena Gibson, Gesang
Gäste:
Elin Rubinsztein, Violine
Fredrik Lindqvist, Blockflöten, Pfeifen
Olof Åslund, Saxophon

Kaipa – Sommargryningsljus

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