Nein, Road to the Sun erweckt zwar auf den ersten Blick den Eindruck eines neuen Solo-Albums des unter anderem mit 20 Grammys ausgezeichneten US-amerikanischen Jazz-Gitarristen Pat Methany. Es ist jedoch kein Solo-Album. Vielmehr ist dieses Album dem Komponisten Pat Methany gewidmet, der lediglich in einem für Gitarre arrangierten kürzeren Stück „Für Alina“ von Avo Pärt am Ende des Albums als Solo-Gitarrist zu hören ist. Bestritten wird Road to the Sun im Übrigen vom Los Angeles Guitar Quartet, das genreübergreifend Bach bis Bluegrass hin bis zum Rock auf der Agenda hat und vom Klassik-Gitarristen Jason Vieaux. Das den Namen seiner Gründungsstätte tragende Los Angeles Guitar Quartet wurde im Jahre 1980 unter der "Aufsicht" von Pepe Romero, Mitglied des berühmten "Los Romeros"-Gitarrenquartetts ins Leben gerufen. Das oft mit der Abkürzung LAGQ bezeichnete Ensemble besteht derzeit aus den vier Gitarristen John Dearman, William Kanengiser, Scott Tennant und Matthew Greif. Die vier Künstler spielen "klassische" Gitarren, also Gitarren mit Nylonsaiten. Der auf Road to the Sun solo aktive Gitarrist Jason Vieaux erlangte Internationale Aufmerksamkeit im Jahr 1992, als er im Alter von gerade eben neunzehn Jahren die prestigeträchtigen Guitar Foundation of America's International Guitar Competition gewann. Sein Soloalbums Play erstritt sich 2014 einen Grammy für das beste klassische Instrumentalsolo. Heutzutage reichen seine Aufnahmen vom klassischen Gitarrenrepertoire über Astor Piazzolla bis hin zu zeitgenössischen klassischen Komponisten wie Aaron Jay Kernis.
Die Hauptwerke auf Road to the Sun stammen hat Pat Methany in zwei Suiten zusammengefasst, von denen die erste Suite „Four Paths of Light“ für Sologitarre und die zweite Suite „Road to the Sun“ für ein Gitarren-Quartett komponiert sind. Den Anfang macht „Four Paths of Light“, eine vierteilige Suite für Sologitarre. In „Four Paths of Light“ erinnern stark arpeggierte Passagen des ersten Stücks, die in strengem Tempo gespielt werden, stark an klassische Etüden, während das vierte Stück im 3/4-Takt, Flamenco-Stimmung beschwört. In der gesamten Suite scheint Pat Methenys unverwechselbare Lyrik und Persönlichkeit durch. Die spezielle, von akribischer Klarheit bestimmte, romantischer Stimmung jedoch jederzeit zugängliche Spielweise von Jason Vieaux entspricht exakt dem Stil der Suite, die geradezu auf diesen Meister-Gitarristen zugeschnitten zu sein scheint.
Auch „Road to the Sun“ zeichnet sich durch große kompositorische Komplexität aus, die eine große Vielfalt an Stimmungen beinhaltet, die von den vier Gitarristen mit schier unglaublicher Virtuosität ans Tageslicht gefördert werden. Auf flirrende Glissandi stehen neben perkussiven Schlägen auf die Gitarrenkörper und rasant gezupften Passagen. Die zweiten und fünften Stücke der Suite klingen wohl wegen der kurzen Beteiligung von Pat Metheny himself wie man es von der Pat Metheny Group gewöhnt ist.
Puren Pat Methany gibt es schließlich zu bestaunen auf der Klavier-Komposition „Für Alina“ von Avo Pärt, die in der Bearbeitung für Gitarre, hier gespielt auf der 42-saitigen Pikasso-Gitarre mit ihren drei, skurril angeordneten Hälsen und zwei Schalllöchern. Dass es sich tatsächlich um eine Gitarre handelt, und nicht etwa um eine monströse Zither mit raumfüllenden Sound und enormer Basskraft, möchte man eigentlich nicht glauben. Avo Pärt hätte sicherlich seine Freude daran.
Road to the Sun ist Stück für Stück bis in Einzelheiten notierte Musik, die jedoch derart virtuos und inhaltsstark daherkommt, dass man die faszinierende Freiheit des Jazz, Musik zu improvisieren, für die Dauer dieses Albums an keiner Stelle vermisst. Dargeboten wird das Ganze von Gitarristen der Spitzenklasse, die keinen Zweifel aufkommen lassen, dass Pat Methany mit Road of the Sun einen großer Coup gelandet hat.
Pat Metheny, Klassische Gitarre
Mitglieder aus dem Los Angeles Guitar Quartet
Jason Vieaux, Klassische Gitarre