Dem Schlagzeug und dem Kontrabass, genial betätigt von Tristan Renfrow und Clemens van der Feen, beide in der der niederländischen Jazzszene bestens bekannte Musiker, hat es der Inhalt des Albums Twin Paradox zu verdanken, dass der konsequent auf 12-Ton-Reihen, verschobenen Metren, Polychorden Polyrhythmen basierende und damit relativ streng akademische, zum Jazz gegenläufige Beitrag des Klaviers zum klanglichen und rhythmischen Geschehen Klanggeschehen dessen ungeachtet zur Welt des Jazz eher gehört als zur zeitgenössischen sogenannten ernsten Musik. Man kann es auch so ausdrücken: ohne Schlagzeug und Kontrabass wäre Twin Paradox über weite Strecken als zu akademisch nur schwer goutierbar. Dies triff vor allen zu für die zahlreichen Strecken mit musikalisch und gar rhythmisch gegenläufigem Fluss. Als Beispiel hierfür kann „Bouncing Ball“ dienen und als Gegenbeispiel “Karimikui“.
Sämtliche Kompositionen auf Twin Paradox stammen vom Pianisten des Albums Loran Witteveen, der das Amsterdamer Konservatorium, das Conservatorium van Amsterdam, das ein Teil der Amsterdam University of Art bildet, mit Bravour absolviert hat und der offenbar als äußert unkonventioneller Komponist keinerlei Kontaktprobleme mit den unterschiedlichen Musikarten Jazz und Klassik im weitesten Sinne kennt, wie dieses sein Debütalbum nachdrücklich beweist. Zu Twin Paradox Album führt Loran Witteveen erläuternd aus: „Das Ziel, das ich beim Komponieren dieser Werke hatte, ist es, Stücke zu schaffen, bei denen sowohl die durchkomponierten Teile als auch die Improvisationsformen rhythmisch flexibel sind. Da die Zeit selbst relativ und anders ist, je nach Position im Raum, Geschwindigkeit der Reise und so vielen anderen Faktoren, wollte ich Musik schaffen, in der die Zeit nicht konstant ist.”
Mit dieser Aussage bezieht er sich auf den Inhalt der relativistischen Zeitdilatation. Da dieser relativistische Effekt Loran Witteveen Titel für Titel zur Komposition von Twin Paradox veranlasst hat, soll sein sich in sämtlichen Titeln des Albums spiegelnder Inhalt kurz angerissen werden: Die durch die &Relativitätstheorie beschriebene Zeitdilatation bewirkt, dass alle inneren Prozesse eines physikalischen Systems relativ zum Beobachter langsamer ablaufen, wenn sich dieses System relativ zum Beobachter bewegt. Das bedeutet, dass auch Uhren, die sich relativ zum Beobachter bewegen, langsamer gehen als die Uhr des Beobachters. Dieser Effekt ist umso stärker, je größer die Relativgeschwindigkeit ist, die auf der Lichtgeschwindigkeit basiert. Die Vorstellung einer absoluten Zeit hat angesichts der experimentell nachgewiesenen Zeitdilatation keinen Bestand.
Dem unabhängigen Münchner Label Winter & Winter, hinter dem Stefan Winter steht, der seit fünfzehn Jahren erfolgreich unkonventionelle Aufnahmeprojekte jenseits des Mainstream zwischen Jazz, Klassik und neuer Musik erfolgreich produziert, ist es zu verdanken, dass das Twin Paradox realisiert werden konnte. Dieses Album stellt einen hörenswerten, großen Wurf seines Komponisten dar und kündet sowohl vom herausgeberischen Mut des Labelinhabers wie von dessen offensichtlichem Spürsinn für außergewöhnliche Musik und Musiker.
Loran Witteveen, Klavier
Clemens van der Feen, Bass
Tristan Renfrow, Schlagzeug