Dieser junge Mann hat es drauf. Seit den Beatles gab es wohl keine (mit Jazzelementen angereicherte) Pop-Musik mehr mit derart bunten Einfällen in der Qualität des Albums Djesse Vol 2, dem weitere zwei Veröffentlichungen unter dem Titel Djesse folgen sollen und dessen Vorgängeralbum Djesse Vol 1 in Kollaboration mit dem niederländischen Metropole Orkest produziert worden war und eine komplett andere Klangwelt aufspannt als das Vol 2. Der fünfundzwanzigjährige Jacob Collier lebt offenbar in den unterschiedlichsten Klangwelten, die er sich mit seinen Alben erschließt und zu eigen macht. Ein derart weiter Horizont wie alleine Djesse Vol 2 erschließt, dürfte nicht nur auf dem Gebiet Pop/Jazz ziemlich einzigartig sein: der reicht von der A-capalla-Breitwand-Version des Hollywood-Schmachschinkens „Moon River“, der anlässlich des fünfzigsten Jahrestags der ersten Mondlandung entstanden und mit tausenden Singstimmen in die Tat umgesetzt ist, die weitgehend aus dem Gesangsbeitrag von Jakop Collier elektronisch generiert sind, über den spartanisch mit irischer Fiedel angereicherten afrikanisch anmutenden Song Bakumbe, dessen ruhiger Duktus schlussendlich in eine Klangorgie ausartet bis zu überaus ruhig dahinfließenden, wunderschön gestalteten Songs wie Make Me Cry und Sky Above, der in der zweiten Hälfte schlagartig an Fahrt aufnimmt. Immer wieder erstaunt, welche Spannung die ruhig konzipierten überaus langsam dahingleitenden Songs wie etwa der Feel erzeugen. Es fällt nicht schwer, sich diesen Songs voll hinzugeben und alles Drumherum zu vergessen. Das ist schlicht meisterhaft. Das rein instrumentale Interlude À Noite ist ein gelungenes Beispiel dafür, dass Jacob Collier auch als Klassikkomponist erfolgreich Karriere machen könnte. Der sich unmittelbar anschließende, perfekt lasziv vorgetragene Song Lua ist ein brasilianischer Bossa-Nova erster Güte. Wen wundert es eigentlich, dass Jacob Collier im Funk gleichermaßen geschickt unterwegs ist wie im Bossa-Nova: It Don't Matter könnte ein Bobby McFerrin Song sein, allerdings einer, der raffinierter instrumentiert und rhymtmisch ungleich komplexer ist alles alles, was McFerrin je veröffentlicht hat. George Harrison hätte seine Freude an der Jacob Collier Version seines Songs Here Comes The Sun.
Auch ein derart talentierter junger Sänger, Arrangeur, Komponist und Multiinstrumentalist wie Jacob Collier fällt nicht vom Himmel. So seine beiden Eltern als Instrumentalisten der britischen Klassikszene aktiv, weshalb Jacob Collier seit früheseter Kindheit mit akustischer Klangerzeugung und klassicher Musik vertraut ist. Für eine solide Musikausbildung hatten zwischenzeiltich die Eltern gesorgt. Trotzdem, oder gerade deswegen hat er sich bereits im Kindesalter für elektronische Klagerzeugung vorrangig interessiert und an vorhandenen Geräten getüftelt und geschraubt. Später hat er dann um seine elektronischen Geräte herum seine erste Show gestaltet. Dann hatte er das Glück, am MIT an der Entwicklung und am Bau des Vokalharmonizers mitzuwirken, der es erlaubt bis zu zwölfstimmige Gesangsharmonien gleichzeitig zu erschaffen. Dieses Gerät gehört zwischenzeitlich zur instrumentellen Grundausstattung des Jacob Collier. Vor allem jedoch ist es seine Komponier- und Instrumentierkunst, die staunen macht. Da Djesse Vol 2 einen Zwischenstand der offensichtlich hochrangigen Kunst des noch sehr jungen Jacob Collier darstellt, darf man gespannt sein, wohin seine musikalische Reise noch gehen wird. Kurzfristig darf man gespannt sein auf Djesse Vol 3.