Stefan Dettl
Biographie Stefan Dettl
Stefan Dettl
"In New York oder New Orleans in einem kleinen Soulclub zu spielen - und nicht rauszufliegen, das war das Ziel", sagt Stefan Dettl. New York? New Orleans? Ist das nicht ein bisschen sehr weit weg für einen, der von den Medien gern auf seine oberbayerische Heimat inklusive sämtlicher Lederhosen- und Weißbier-Klischees reduziert wird? Sind das nicht Pläne, die ein bisschen zu hoch fliegen? Nein! Definitiv nicht! Denn Stefan Dettl mag zwar aus der Provinz kommen, aber wenn er eines ganz sicher nicht ist, dann provinziell. Denn Ländergrenzen haben ihn noch nie interessiert, nur wenn es darum ging, sie zu überschreiten.
Mit seiner Band LaBrassBanda teilte er sich im letzten Jahr beim legendären Sziget-Festival in Ungarn die Bühne mit den Kings of Leon und Robbie Williams, hinterließ bei Konzerten in Glasgow völlig euphorisierte Schotten - und spielte mal eben zusammen mit der englischen Punk-Ikone Captain Sensible (The Damned) dessen Kulthit "Wot" neu ein. Und genauso wenig wie ihn Ländergrenzen scheren, halten ihn Genregrenzen auf.
Nur konsequent also, dass er jetzt eine Soulplatte gemacht hat. Es ist sein drittes Solo-Album nach "Rockstar" (2011) und "Summer Of Love" (2012). Bei den beiden Vorgängern tauschte er die Trompete gegen die Gitarre und blieb bei bayerischen Texten, für "Soultrain" hat er die Gitarre wieder weggepackt, und singt viele Stücke auch in Englisch. Stefan Dettl sagt: "Es ging mir nicht darum, so was wie deutschen Soul zu machen. Was soll das überhaupt sein? Ich wollte eine Soulplatte machen, die überall auf der Welt funktioniert. Dass ich aus Bayern komme, soll dabei keine Rolle spielen." Kein leichtes Unterfangen, man weiß schließlich, wie wenige deutsche Künstler international überhaupt auch nur wahrgenommen werden. "Von unseren Auftritten in Russland, Afrika, Amerika und England habe ich so viel mitgenommen und so viel darüber gelernt, wie Musik auf der ganzen Welt funktioniert, das wollte ich jetzt umsetzten. Dafür schien mir Soul der ideale Weg", erzählt Dettl.
Es klappt! Und wie! Gleich der erste Song "Superman" schleicht sich mit einem federnden Pianothema an wie ein Gangster im Maßanzug im Chicago der Zwanziger Jahre. Dann übernehmen die Bläser und man hört Dettl singen wie man ihn bis dahin noch nie singen gehört hat. Er zieht die Vokale in die Länge, er nuschelt, er raunzt: "I'm waking up, sun is shining in my eyes" Und schon nach ein paar Takten ist alles, was man über Stefan Dettl zu wissen glaubt, hinfällig. Auf einmal ist dieses ganze Bayern-Dings ganz weit weg. Hier spielt einer den Soul als hätte er noch nie etwas anderes gemacht.
Und genauso klassisch soulig geht es weiter. Der Titeltrack "Soultrain" sorgt mit einem treibenden Bass dafür, dass die gefühlte Raumtemperatur gleich mal ein paar Grad ansteigt. Hier wechselt Dettl vom Englischen zurück ins Bayerische und rappt: "Auf oamoi: Boom, da danzt der ganze Dachbodn, mit olle Nachbarn, I kriag an Dachschadn". Und plötzlich fühlt es sich an als wäre es zwei Uhr morgens in einem verrauchten Keller-Club und alle fangen an zu tanzen. Viel mehr Party geht nicht!
Auch "Bester Freind" kommt im breitesten Bayerisch daher. Aber so richtig merkt man das tatsächlich erst beim zweiten oder dritten Hören. Dettl sprechsingt so flüssig und harmonisch zu Sixties-Georgel und verzerrten Gitarren, dass man sich unweigerlich fragt, warum das vor ihm noch niemand so gemacht hat. Wo scheinbar Welten aufeinander treffen, klingt auf einmal alles so als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt, Soul ist eben universell!
"I'm gettin' older and older, nothing to do, now I understand Miles Davis' 'Bitches Brew'" heißt es dann in "Lonely Boy". Und tatsächlich hat hier jemand "Bitches Brew", das vielleicht legendärste aller legendären Miles Davis Alben, sehr gut verstanden. Jazz plus Rock ergibt Fusion. In der Theorie eigentlich ganz einfach, Stefan Dettl setzt es auch in der Praxis perfekt um.
"Trachtenbua" legt mit einem Trompetensolo los, nimmt dann so richtig Fahrt auf und ab geht die Lutzi. Slap Bass, Hendrix-Gedächtnis-Gitarre, ein Schlagzeug wie ein Güterzug. Wer hier noch ruhig sitzen bleiben kann, mag wahrscheinlich überhaupt keine Musik. Und wer hier nicht einfach nur breit grinsen muss, ist wahrscheinlich schon tot.
Den Abschluss bildet das sehnsüchtige "I don't need your love", in dem Dettl zu einer herzzerreißenden Klaviermelodie und einem Cha-Cha-Cha Rhythmus einer Verflossenen hinterherschmachtet. In der Mitte des Songs kommen Orgel und Gitarre dazu, gefühlt auch Sixties-Ambiente und ein Wodka Martini. Und es würde einen auch nicht weiter wundern, wenn die "Mad Men" gleich ums Eck kämen.
Es kann also sehr gut sein, dass Stefan Dettl und seine Band bei Auftritten in New York oder New Orleans weit mehr als nur ihr Minimalziel, nicht rauszufliegen, erreichen werden. Ziemlich sicher werden sie die eine oder andere Zugabe spielen.