Longing Martin Sasse
Album info
Album-Release:
2023
HRA-Release:
10.12.2024
Album including Album cover
- 1 How Little We Know 06:55
- 2 Groovy Waltz 06:53
- 3 Longing 06:44
- 4 Never to Return 04:47
- 5 The Soul of Jazz 04:58
- 6 Green and Blue 05:44
- 7 Swing, Swing, Swing 06:56
- 8 Bennetts Blues 05:53
- 9 Lover Man 05:02
- 10 With You 04:20
Info for Longing
Alles, schreibt die Dichterin Nelly Sachs in ihrem Gedicht, beginnt mit Sehnsucht: „Alles beginnt mit Sehnsucht, / Im Herzen ist immer Platz für mehr, / Für Schöneres, für Größeres.“ Sehnsucht heißt auf Englisch „Longing“, und „Longing“ ist der Titel des neuen Albums des Pianisten Martin Sasse, das er mit dem Bassisten Martin Gjakonovski und dem Schlagzeuger Joost van Schaik aufgenommen hat.
Endlich gibt es wieder ein Trio-Album von Martin Sasse, in jener konzentrierten, intimen Besetzung, die so viele melodische und rhythmische Ausdrücke, Variationen, Stimmungen, Atmosphären und Emotionen ermöglicht. Und Martin Sasse nutzt sie alle aus, tiefgründig, elegant und mit einer unglaublichen Leichtigkeit, als wäre es nicht die geringste Anstrengung, all die wunderbaren Klänge, Melodien und Harmonien so federleicht schwingen, singen, perlen und tanzen zu lassen.
Seit mehr als 25 Jahren besteht Martins Sasses Trio in wechselnden Formationen, das erste Trio-Album erschien im Jahr 2000 unter dem programmatischen Titel „Here We Come“. Seitdem ist das Trio aus Sasses Schaffen nicht verschwunden: In der aktuellen Besetzung Martin Sasse, Martin Gjakonovski und Joost van Schaik musiziert es nun schon seit geraumer Zeit gemeinsam. Deutlich spürt und hört man: Hier ist aufs Schönste etwas zusammengewachsen, so nah, so vertrauensvoll, so freundlich ist der musikalische Umgang. Dabei klingt überhaupt nichts nach abgedroschener Routine, im Gegenteil: Alles groovt und swingt so frisch, als hätten die Musiker gerade ihre eigene „Sehnsucht“ entdeckt!
Was „Sehnsucht“ nicht minder eindrucksvoll demonstriert: Martin Sasse ist nicht nur ein herausragender, international gefeierter Musiker, sondern ein ebenso außergewöhnlicher Komponist. Als fabulierender Sound-Novelist erzählt er seine einprägsamen Geschichten und schmückt sie mit melodischen und improvisatorischen Finessen aus. Acht Eigenkompositionen prägen Sasses Trio-Album, ergänzt durch die Standards „How Little We Know“ und „Lover Man“. „Longing“ ist zwar noch kein Konzeptalbum, folgt aber einer eigenen inneren Logik: Jedes Stück hat seinen dramaturgisch klug gewählten Platz, keines hätte sich an einem anderen Ort überzeugender entfalten können. Während jedes Stück seine eigene Geschichte erzählt, stellt die chronologische Reihenfolge einen größeren, nicht minder faszinierenden Spannungsbogen her. So ist „Longing“ mit all seinen Rhythmen, Melodien und Harmonien es wert, gerade in seiner Gesamtheit erlebt zu werden!
So gesehen hätte kein Stück das Album besser eröffnen können als „How Little We Know“. Der durch Frank Sinatra und Carmen McRae berühmt gewordene Standard setzt punktgenau einen musikalischen Maßstab, und wer an den Text des Stücks denkt, wird mit Vorfreude ahnen, wohin die Reise gehen wird: „How little we know!“ / Wie viel zu entdecken / Welche chemischen Kräfte fließen von Liebenden zu Liebenden!"
In der Tat: Die Chemie fließt ebenso kraftvoll wie zart, und es gibt auf dem Album viel zu entdecken. „Groovy Waltz“ etwa jongliert mit rhythmischen und melodischen Überlagerungen, stockt gelegentlich augenzwinkernd, um dann Sasses brillante, blues- und soulgetränkte Improvisation umso schmackhafter zu präsentieren. Diese übernimmt Martin Gjakonovski mit einem eleganten Solo, das Sasse wiederum mit subtil getupften Einwürfen unterstreicht – ebenso intelligent, wie er kurz darauf Joost van Schaiks feines Schlagzeugsolo akzentuiert. Und das hat Methode: Ab und zu formt Sasses Klavier rhythmisch treibende Parts und nutzt sie, um die solistischen Gedanken seiner Mitspieler zum Leuchten zu bringen. Joost van Schaik und Martin Gjakonovski danken es ihm mit einem gefühlvoll punktierten Rhythmus, über den Sasses nachdenkliche, improvisatorisch variantenreiche Melodien schweben förmlich.
Zum Kontrabass: Hören Sie sich Martin Gjakonovskis Solobeiträge auf diesem Album genau an. Seine singenden, swingenden, schwelgerischen Passagen setzen markante Glanzlichter und sind doch stets eingebettet in die Gesamtdramaturgie des Albums, das mehrere spannende Dialoge zwischen Sasse und Gjakonovski beinhaltet. Das Stück „Longing“ adelt Gjakonovski ein- und ausleitend mit einer wundervollen, zweiten Melodie, die Sasses Hauptthema so richtig erstrahlen lässt. Der mit viel Bossa-Charme elegant daherkommende Titeltrack gehört zu den Highlights des an Höhepunkten wahrlich nicht armen Albums.
Ein weiteres Juwel ist ohne Zweifel die Ballade „Green and Blue“, Sasses atmosphärisch-romantische Antwort auf „Blue in Green“ von Miles Davis. Strategisch und vermutlich nicht zufällig zwischen den prägnanten Straight-Ahead-Krachern „The Soul of Jazz“ und „Swing, Swing, Swing“ platziert, verändert „Green and Blue“ das Raum- und Zeitgefühl des Albums noch einmal von Grund auf. Das betörende, in tiefe Melancholie getauchte Thema könnte einem atmosphärischen Film Noir aus dem Hollywood der 1940er Jahre entlehnt sein, sodass man sich sowohl mit der Melodie als auch den improvisatorischen Exkursionen von Bass und Piano fühlt, als würde man durch eine verregnete Großstadtnacht schlendern. Schon von Weitem grüßt Raymond Chandlers desillusionierter Privatdetektiv Philip Marlowe, der mit hochgeschlagenem Mantelkragen durch die urbane Stille streift, um dann in einer winzigen Bar zu stranden: „Ich schenkte mir so viel ein, bis mein Drink ein Drink war“, heißt es im Roman „Das hohe Fenster“ (1942).
Der magische Zauber von „Green and Blue“ hallt noch lange nach, und möglicherweise erst das abschließende „With You“, nach dem kraftvoll und atmosphärisch gespielten „Bennetts Blues“, holt einen wieder voll in die sonst so wunderbar swingende und groovende Klangwelt von Martin Sasse zurück. Es ist ein grooviges, rasantes Finale, in dem die Qualitäten des Albums noch einmal prächtig gebündelt sind: als verspieltes, temperamentvolles, rundum inspirierendes Miteinander, eng und doch voller Raum für Freiheit. Ganz im Sinne von Nelly Sachs‘ Gedicht Sehnsucht: „Im Herzen ist immer Platz für mehr, / für Schöneres, für Größeres.“
Martin Sasse, Klavier
Martin Gjakonovski, Bass
Joost van Schaik, Schlagzeug
Martin Sasse
hat im Laufe seiner Bühnenkarriere mit nahezu allen Größen im internationalen Jazz zusammengearbeitet und zählt lange schon selbst zu den herausragenden Jazz-Pianisten in Europa. Er hat über zehn Alben unter eigenem Namen veröffentlicht und spielt als Gast auf zahllosen Aufnahmen und bei Konzerten weltweit. Legenden des Jazz prägen und prägten seinen Weg, darunter Al Foster, Jimmy Cobb, Steve Grossman und Lee Konitz. Für Billy Cobham und Hiram Bullock wechselte er vom Piano an die Hammond B3 und präsentierte sich als hervorragender Organist.
Sasse spielte Tourneen mit den New York Voices, Dusko Gojkovich, Al Foster, Rick Margitza oder Dick Oatts und war Pianist bei Till Brönners Reihe „Talking Jazz“ in der Bundeskunsthalle in Bonn. Er begleitete Gesangsgrößen wie Roberta Gambarini, Tierney Sutton, Janis Siegel (Manhattan Transfer) und Bobby McFerrin. Zu seinen regelmäßigen Partnern gehören Philip Catherine, Peter Bernstein, Dennis Mackrel, Harry Allen und Scott Hamilton.
Das Martin Sasse Trio besteht in wechselnden Formationen bereits seit fast dreißig Jahren. Schon das erste Album „Here we come“ (2000) erhielt international beste Kritiken. Auf späteren Alben sind Vincent Herring, der Miles Davis-Saxophonist Steve Grossmann und Gitarrist Peter Bernstein zu hören. Für das Album „Good Times“ mit Charlie Mariano erhielt das Trio 2010 den Preis der Deutschen Schallplattenkritik.
Auch Weltstars aus Pop und Klassik hat Martin Sasse begleitet, darunter Johnny Logan, Tommy Emmanuel und Chris de Burgh. Er trat mit Jose Carreras, Luciano Pavarotti und Placido Domingo auf und spielte mit Sting und den Bochumer Symphonikern die Europatournee „Symphonicity“. Mit Helge Schneider, Udo Jürgens und Udo Lindenberg gehören auch einige der größten deutschsprachigen Entertainer zu Sasses Spielpartnern.
Der hochgelobte Film „Blue“, der auf der „Jazzahead“ in Bremen uraufgeführt wurde, begleitete über zwei Jahre Sasses Auftritte, u. a. im legendären Jazzclub „Smalls“ in New York und im berühmten Annex Sound Studio in Tokio. Seine Konzertreisen haben Martin Sasse durch Europa und die USA geführt, nach Japan und China, nach Ägypten und in den Sudan. Er unterrichtet am Institut für Medien und Musik an der Robert-Schumann-Hochschule Düsseldorf.
This album contains no booklet.